Raphaela Dell
Mit einer Kombination aus Psychologie, Organisationslehre und Methoden aus der Welt der Kultur und der Philosophie, befähigt sie Menschen ihr Potential voll zu nutzen.
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Kairos und die Sprache der Gefühle:
Gefühle und Sprache – eine explosive Kombination, insbesondere für viele aus der Boomer-Generation. Gefühle, die keinen Namen haben, sind schwer greifbar. Und Gefühle, die ausgesprochen werden, verlieren oft ihre rohe Kraft. Das Dilemma:
Wie finden wir die richtigen Worte für das, was in uns vorgeht? Und was hat das mit Kairos, dem richtigen Moment, zu tun?
Für viele Boomerinnen und Boomer ist genau das die Herausforderung. Sie sind mit einem kulturellen Erbe aufgewachsen, das Gefühle entweder glorifiziert oder stummgeschaltet hat. Männer wurden oft dazu erzogen, Stärke zu zeigen, nicht zu viel zu fühlen. Frauen hatten zwar eher die „Erlaubnis“, ihre Gefühle auszudrücken, mussten sich aber häufig in gesellschaftlichen Normen bewegen, die sie zurückhielten. Die Frage ist: Wie können wir Sprache nutzen, um unsere Gefühle zu verstehen – und damit den Moment zu ergreifen, der wirklich günstig ist?
1. Warum Sprache entscheidend ist, um Kairos zu nutzen
Kairos, der günstige Moment, erfordert mehr als bloßes Handeln. Er verlangt, dass wir uns im Moment selbst bewusst sind – und dafür brauchen wir Sprache. Gefühle ohne Worte bleiben diffus, schwer zu greifen. Doch wenn wir unsere Gefühle nicht benennen können, fehlt uns oft die Klarheit, die wir brauchen, um im richtigen Moment zu handeln.
Gerade Boomerinnen und Boomer stehen hier vor einer Herausforderung. Sie wurden häufig nicht darin geschult, über Gefühle zu sprechen – und doch sind sie in einem Alter, in dem sie die Tiefe ihrer Erfahrungen besser denn je reflektieren könnten.
Die Frage „Was fühlst du?“ ist also alles andere als trivial.
Wer den richtigen Moment ergreifen will, muss wissen, was in ihm vorgeht. Aber oft fehlt die Sprache, um das auszudrücken.
2. Die kulturelle Prägung der Boomer-Generation
Viele Boomer wurden in einer Zeit sozialisiert, in der Gefühle entweder zu stark idealisiert oder komplett ignoriert wurden. Männer hörten Sätze wie: „Ein Indianer kennt keinen Schmerz.“ Frauen wurden mit „Das gehört sich nicht“ an gesellschaftliche Grenzen erinnert.
Doch die Wahrheit ist: Beide Geschlechter mussten sich anpassen, indem sie ihre Gefühle entweder übersteigerten oder unterdrückten. Das hat nicht nur Auswirkungen auf Beziehungen, sondern auch darauf, wie sie ihre eigenen Kairos-Momente wahrnehmen.
- Für Männer: Oftmals fehlen ihnen die Worte, um ihre Gefühle zu benennen. Dadurch entgehen ihnen Chancen, weil sie nicht erkennen, was wirklich wichtig ist.
- Für Frauen: Sie haben eher Worte für ihre Gefühle, stoßen aber oft auf Widerstand, wenn sie diese in der Öffentlichkeit äußern – oder verwechseln Anpassung mit Selbstentfaltung.
3. Kairos und die Kunst der Selbstreflexion
Der günstige Moment ist selten perfekt. Er fühlt sich nicht immer gut an und ist oft von Unsicherheit geprägt. Doch um ihn zu nutzen, müssen wir ehrlich mit uns selbst sein.
Hier kommt die Sprache ins Spiel: Wenn wir unsere Gefühle benennen, schaffen wir Klarheit. Wir verstehen, was uns antreibt – und was uns blockiert.
Ein Beispiel: Ein Boomer-Mann, der sich beruflich verändern will, könnte seinen Wunsch nach Stabilität („Ich bin zu alt für sowas“) als Angst entlarven – wenn er den Mut hat, sich seine Gefühle einzugestehen. Eine Boomerin, die das Gefühl hat, zu viel für andere getan zu haben, könnte entdecken, dass hinter ihrem Ärger die Sehnsucht nach Eigenständigkeit steckt.
Kairos beginnt also mit der Frage: „Was fühle ich wirklich?“
4. Wie wir Gefühle in Worte fassen können
Das Fassen von Gefühlen in Worte ist eine Übung – und sie beginnt mit kleinen Schritten. Für Boomerinnen und Boomer könnte dies ein Weg sein, Kairos-Momente klarer zu erkennen:
- Gefühle benennen lernen: Anstatt „Ich fühle mich schlecht“ zu sagen, versuchen wir, genauer zu werden: „Ich bin enttäuscht“, „Ich bin frustriert“, „Ich bin aufgeregt“.
- Wahrnehmung trainieren: Welche körperlichen Signale sendet ein Gefühl? Ein Engegefühl im Brustkorb könnte Angst oder Überforderung anzeigen.
- Mit anderen teilen: Gerade in Beziehungen hilft es, über Gefühle zu sprechen. „Ich habe das Gefühl, dass ich mich bei dieser Entscheidung unsicher fühle. Kannst du mir helfen, das zu reflektieren?“
5. Kairos für Boomer: Den Moment erkennen, ohne perfekt sein zu müssen
Der richtige Moment entsteht selten durch äußere Perfektion, sondern durch innere Klarheit. Wer sich seinen Gefühlen stellt und die richtigen Worte findet, wird Momente erkennen, die zuvor unsichtbar waren.
Und das Beste: Es ist nie zu spät. Boomerinnen und Boomer haben die Erfahrung, die Lebenserfahrung, um diesen Prozess mit Humor, Gelassenheit und Mut anzugehen. Sprache ist nicht nur ein Werkzeug, um Gefühle zu benennen – sie ist ein Schlüssel, um sich selbst besser zu verstehen.
Sprache und Kairos – ein Gewinn fürs Leben
Der richtige Moment wartet nicht. Doch er verlangt auch nicht, dass wir perfekt vorbereitet sind. Es reicht, wenn wir lernen, ihn zu erkennen – und dafür müssen wir unsere Gefühle benennen.
Also, liebe Boomerinnen und Boomer: Nehmt euch die Zeit, eure Sprache für Gefühle zu entdecken. Nicht, weil ihr dann nie wieder danebenliegt, sondern weil ihr dann die Chance habt, Momente bewusster zu erleben. Und ja, manchmal bleibt es die längste Supermarktschlange. Aber vielleicht wartet genau dort ein Gespräch, ein Lächeln – oder ein Kairos-Moment, den ihr so nie erwartet hättet.

