Raphaela Dell
Mit einer Kombination aus Psychologie, Organisationslehre und Methoden aus der Welt der Kultur und der Philosophie, befähigt sie Menschen ihr Potential voll zu nutzen.
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#4Talk am See mit Stefan Hartleif
Ein sonniger Morgen, ein inspirierendes Gespräch
Es ist 10 Uhr an einem strahlenden Frühlingstag, als ich mich mit Stefan Hartleif zu unserem Interview via Teams zusammenschalte. Stefan und ich kennen uns aus der Gestalttherapie-Ausbildung, wo wir als die beiden "Klassenältesten" eine besondere Verbindung zueinander aufgebaut haben. Unsere gemeinsamen Zigarettenpausen vor dem Seminarhaus "Herberge", bei denen wir den Tag Revue passieren ließen, sind mittlerweile schon fast legendär. Heute fehlt mir die Zigarette, aber Stefans Präsenz über den Bildschirm fühlt sich vertraut und nah an.
Stefan ist ein beeindruckender Mann - groß gewachsen, mit einer sympathischen Ausstrahlung, der man sich kaum entziehen kann.
Er wirkt offen und interessiert, als wir unser Gespräch beginnen. Ich bin neugierig darauf, mehr über seinen Hintergrund und seinen Weg in die Gestalttherapie zu erfahren.
"Ich bin ein gebürtiger Leverkusener", erzählt er mir. "29 Jahre lang habe ich dort gelebt, einen großen Wirkungskreis und viele Kontakte gehabt." Stefan beschreibt sich selbst als "Kind des Proletariats".
Nach dem Realschulabschluss machte er zunächst eine Ausbildung als Maschinenschlosser, wie viele in seinem Umfeld. "Ein Studium wäre damals gar nicht möglich gewesen, das hätte niemand finanziert", erklärt er.
Doch der Beginn seines Berufslebens war für Stefan nicht leicht. Schon in der Schulzeit erlebte er Mobbing und Gewalt, fühlte sich oft "nicht gesehen". Prägend war für ihn auch die schwierige Beziehung zum Vater. "Das ist ja auch mein Thema", sagt er nachdenklich. "Viele junge Männer werden von ihren Vätern nicht gesehen." Erst durch engagierte Lehrer und Ausbilder, die an ihn glaubten, gewann Stefan neues Selbstvertrauen. "Es waren dann drei Leute hintereinander, die mir gezeigt haben: In dir steckt mehr! Dadurch habe ich eine richtige Dynamik in mein Leben bekommen."
Die fehlende Tiefe in den zwischenmenschlichen Beziehungen trieb Stefan schließlich dazu, Leverkusen zu verlassen und in Heidelberg noch einmal neu anzufangen. Über das Wasserballspielen knüpfte er dort neue Kontakte. Doch die Oberflächlichkeit und die Suche nach mehr beschäftigten ihn weiterhin.
"Dieses Thema zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben", reflektiert er. "Auch meine Art der Fotografie spiegelt das wider: Ich will Menschen in ihren Systemen zeigen und gleichzeitig hinter die Kulissen schauen."
Die Kunst des Sehens
Stefan ist auch Fotograf. Er zeigt mir die 3D-Bilder an seiner Wand – Portraits seiner Tochter, die er aus verschiedenen Schichten zusammengesetzt hat.
"Bei mir in der Fotografie geht mir immer diese Zweidimensionalität auf den Senkel", erklärt er. "Da fehlt mir die Tiefe, deshalb arbeite ich mit verschiedenen Bildebenen."
Es fällt mir auf, wie sehr diese Kunstform zu ihm passt – jemand, der immer versucht, hinter die Oberfläche zu blicken, die Tiefe zu erfassen. Er hat ein Fotobuch erstellt: "Aquarius“ – über Menschen, die im Wasser- und Abwasserbereich arbeiten.
"Meine Art der Fotografie ist, Menschen zu fotografieren in ihren Systemen und gleichzeitig hinter die Kulisse zu schauen", sagt er. "Mit dem Menschen zu sprechen, was ihn bewegt, und das dann zu dokumentieren als Wertschätzung für sein Tun."
Auf die Gestalttherapie aufmerksam wurde Stefan durch einen spirituellen Männerkreis, in dem er sich regelmäßig mit anderen über existenzielle Themen austauscht. "Für mich ist es schön zu wissen, dass ich mit meinen Fragen und Problemen nicht alleine bin", sagt er. "Der Männerkreis ist ein Ort, wo man getragen ist, wo man so sein kann, wie man ist. Ein bisschen wie in unserer
Gestaltgruppe." Im Kreis kam auch die "Heldenreise" von Gestalttrainer Torsten zur Sprache, die Stefan schließlich selbst mitmachte. "Die Heldenreise war für mich ein absolut fantastisches Erlebnis", schwärmt er. "Ich habe es geschafft, den Blickwinkel auf mein Leben um zwei, drei Grad zu verschieben."
Eine Schlüsselszene spielte sich nach der Rückkehr in Stefans
Badezimmer ab, wo seit Jahren ein zu tief hängender Spiegel sein Spiegelbild abschnitt. "Ich musste mich immer bücken, um mich zu sehen - mich im wahrsten Sinne klein machen", erinnert er sich. "Durch die Heldenreise wurde mir klar: Ich mache mich selbst kleiner als ich bin, ich dränge mich in eine gebückte Rolle. Noch am selben Tag habe ich den Spiegel ausgetauscht!" Für
Stefan war das symbolisch für einen besseren Zugang zu sich selbst und seinen Gefühlen, den er durch die Gestalttherapie gefunden hat.
Das Thema Vaterschaft ist für Stefan zentral. "Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwierig es als junger Mann ist, wenn man kein vernünftiges Vorbild hat", sagt er. Als seine Frau starb und er die gemeinsame Tochter alleine großziehen musste, suchte er nach einer neuen, verständnisvolleren Art Vater zu sein. "Da brauchte es mehr als das klassische Vaterbild, auch eine weibliche Komponente." Gesprächstherapie mit einer befreundeten Ärztin half ihm, Pubertät und Trauer der Tochter auseinanderzuhalten. "In all dem, was da auf mich eingeprasselt ist, kann ich heute sagen: Meine Tochter steht gut da. Dieser riesige Zick-Zack-Weg, den ich gegangen bin, kann also nicht so verkehrt gewesen sein!"
Von der Gestalttherapie beeindruckt Stefan besonders die Haltung, dass es keinen Glauben an etwas Äußeres braucht. "Zentral ist der Glaube an sich selbst", betont er. "In uns steckt alles, was wir brauchen: ein Teil Engel, ein Teil Gott, ein Teil
Glaube. Ich muss nicht nach etwas Höherem suchen." Diese
Erkenntnis gibt ihm viel Vertrauen in den gestalttherapeutischen Ansatz, weil er seiner eigenen Lebenseinstellung entspricht.
Stefan wirkt auf mich wie ein Mensch, der das Leben selbst als seine spirituelle Praxis begreift. "Viele flüchten sich in esoterische Konzepte oder Kreise und denken, das wäre es jetzt", sagt er. "Aber in Wirklichkeit ist doch das Leben mit all seinen Höhen und Tiefen unsere eigentliche Meditation!" Für Stefan führt der Weg zur Weisheit nicht über Rückzug und Weltflucht, sondern mitten durch den Alltag. Für mich verkörpert er damit die Essenz dessen, was Gestalt bedeutet: Präsenz, Achtsamkeit und Wahrhaftigkeit im Hier und Jetzt.
Zum Schluss frage ich Stefan, was er durch die Begegnung mit Torsten und der Gestalttherapie bisher am meisten mitnimmt.
"Ganz zentral ist das Einfühlungsvermögen für sich selbst und andere", antwortet er. "Daran zu arbeiten, Kopf, Herz und Bauch in Einklang zu bringen, um sich selbst und den anderen gut wahrzunehmen. Das ist eine Entdeckungsreise, die ein Leben lang andauert - bis der Deckel auf dem Sarg liegt", fügt er mit einem Augenzwinkern hinzu.
Als wir uns verabschieden, spüre ich Dankbarkeit und Wertschätzung für Stefan. Für sein offenes Ohr, für seine Präsenz, für die richtigen Worte zur richtigen Zeit. Vor allem aber dafür, dass er uns alle in der Ausbildungsgruppe auf diesem herausfordernden und bereichernden Weg in die Gestalttherapie begleitet.
Ich freue mich auf viele weitere tiefgründige Gespräche mit diesem besonderen "kölschen Jung", von dem man noch so viel lernen kann über das Leben und das Mensch-Sein.
Bald werden wir wieder auf unserer Bank sitzen, Zigaretten rauchen und die Welt betrachten – zwei ältere Schüler, die nie aufhören zu lernen.
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