Raphaela Dell

Mit einer Kombination aus Psychologie, Organisationslehre und Methoden aus der Welt der Kultur und der Philosophie, befähigt sie Menschen ihr Potential voll zu nutzen.

Mit einer Kombination aus Psychologie, Organisationslehre und Methoden aus der Welt der Kultur und der Philosophie, befähigt sie Menschen ihr Potential voll zu nutzen.

Interesse geweckt?
Schreib uns eine E-Mail, ruf uns an oder nutze einfach unser Kontaktformular.

Zur Übersicht
Zur Übersicht

Shakespeare: Der Mann im Nebel

Man stelle sich das einmal vor: Der erfolgreichste Dramatiker der Weltgeschichte, der Mann, der Worte so zum Leben erweckte, dass sie bis heute durch unser kulturelles Gedächtnis spuken, ist im Grunde ein Geist. Nicht im übertragenen Sinne, sondern ganz real.                                                                                          Über William Shakespeare wissen wir kaum etwas – und das ist keine Übertreibung. Bill Bryson fasst es grandios zusammen:

„Von Shakespeare haben wir sechs Unterschriften, ein halbfertiges Portrait, eine vage Ahnung seiner Taufurkunde und jede Menge Spekulationen. Und doch reden wir über ihn, als hätten wir ihn gestern zum Bier getroffen.“

Shakespeare: Der Mann im Nebel

Tatsächlich wissen wir mehr über die Füchse des elisabethanischen Londons als über Shakespeare selbst. Geburt? Irgendwann im April 1564, vielleicht der 23., der auch sein Todestag wurde (aber das ist ein bisschen zu poetisch, um wahr zu sein). Ausbildung? Er war angeblich auf der King's New School in Stratford-upon-Avon, wo Latein bis zum Abwinken gelehrt wurde. Danach? Nebel.

Und dann taucht er, wie ein Magier, plötzlich in London auf. 1592 erwähnt ihn der Schriftsteller Robert Greene erstmals namentlich – und zwar als aufdringlichen Emporkömmling, als „Krähenfeder“, der es wagte, in der Welt der Dichter zu glänzen. Shakespeare, der freche Aufsteiger aus der Provinz! Vielleicht kein Gentleman, aber ein Mensch, der es schaffte, sich zum Star der elisabethanischen Theaterwelt zu machen.

 Playwright oder Kaufmann? Warum nicht beides?

Und jetzt kommt der überraschend bodenständige Teil der Geschichte: William Shakespeare war ein cleverer Geschäftsmann. Ein Selfmade-Man im wahren Sinne. Während wir ihn uns gern als melancholischen Genie-Dichter vorstellen, der bei Kerzenschein Verse weint, war Shakespeare vor allem: erfolgreich. Er gehörte zu den Miteigentümern der Theatergruppe Lord Chamberlain’s Men, später bekannt als The King’s Men. Und als Teilhaber des Globe Theatre verdiente er mit jedem Ticket, das verkauft wurde.

Wer denkt, Shakespeare hätte nur der Kunst gefrönt, irrt sich gewaltig. Er war ein geschickter Investor, ein Mensch, der wusste, dass Talent allein nicht satt macht. Seine Theaterstücke waren Kassenschlager, oft mit gut kalkulierten Zutaten: Ein bisschen Mord, eine Prise Liebe, dazu königliche Machtkämpfe, und fertig war der nächste Bestseller. Wenn Shakespeare ein Smartphone gehabt hätte, er hätte die Analytics-App gecheckt, um zu sehen, welche Stücke am besten liefen.

Historische Quellen zeigen zudem, dass er nicht nur verdiente, sondern auch klug ausgab: Er kaufte Immobilien in Stratford, investierte in Landbesitz, und wurde, so lässt es sich rekonstruieren, ein ziemlich wohlhabender Bürger. Ein Theaterdichter, der Immobilienmakler war? Das hätte heute was von einem Schriftsteller, der nebenbei eine gut laufende Airbnb-Wohnung betreibt.

Der kluge Opportunist

Shakespeare war – wenn wir ehrlich sind – nicht der Typ Künstler, der auf seinem Dachboden hungerte und von der Muse küsste. Er war ein Opportunist. Warum nicht auch? Die elisabethanische Zeit war voller Theaterbegeisterung, voller neuer Möglichkeiten. Shakespeare sah die Welle und ritt sie. Und dabei, das muss man sagen, konnte er seine Kunst nicht nur inszenieren, sondern auch verkaufen.

Denn Shakespeare war vieles, aber vor allem war er: pragmatisch. Ein Beispiel? Als die Pest in London wütete und die Theater schließen mussten, schrieb Shakespeare Sonette. Wenn die Bühne dicht ist, dann gehen die Gedichte eben an die Sponsoren, sprich: reiche Mäzene, die sich freuen, dass ein Dichter so etwas Schönes über Liebe und Sterblichkeit schreibt. Business meets Poesie – Shake-speare’s way!

Shakespeare Ki

Shakespeare, der Halluzinierte

Das Problem ist nur: All das bleibt Spekulation. Die historischen Dokumente zu Shakespeares Leben füllen gerade mal eine dünne Mappe, während seine Werke ganze Bibliotheken sprengen. Was er dachte, wie er war, ob er gerne Bier trank oder Wein bevorzugte – wir wissen es nicht. Was wir wissen, ist, dass er unglaublich neugierig gewesen sein muss. Ein Mensch, der sich alles einverleibte: von der römischen Geschichte über die Tratschgeschichten seiner Zeit bis hin zu den tiefsten Abgründen menschlicher Psyche.

Wenn Bryson sagt, dass wir im Nebel wandeln, dann heißt das: Shakespeare selbst ist ein Teil seiner eigenen Fiktion geworden. Ein leerer Spiegel, der uns das zurückgibt, was wir sehen möchten. War er ein fleißiger Geschäftsmann, der nie um eine Marktlücke verlegen war? Ein Genie, das zwischen Kunst und Kommerz balancierte? Oder ein Halluzinator, der wie eine frühe KI wildeste Stoffe zu neuen Welten verknüpfte? Vermutlich: alles zusammen.

Warum Shakespeare heute perfekt wäre

Manchmal wünscht man sich, Shakespeare wäre heute unter uns. Ein erfolgreicher Scriptwriter für HBO, der mit klugen Prompts die KI füttert und seine Serienhits abliefert. Ein Selfmade-Millionär, der seine Stücke nebenbei als NFTs verkauft. Ein Mann, der zugleich Genie und Kaufmann ist. Aber das Wichtigste: Er wäre wohl derselbe Geschichtenerzähler geblieben.

Denn Shakespeare verstand die Menschen. Er wusste, wie wir lieben, hassen, träumen, scheitern. Und das ist es, was ihn zeitlos macht. Vielleicht ist es gut, dass er uns so wenig hinterlassen hat außer seinen Worten. Denn was wissen wir schon wirklich über Shakespeare? Eigentlich nichts – aber genug, um zu verstehen, dass er uns bis heute in Atem hält.

Shakespeare ist der Mythos, der sich selbst erfunden hat. Und jeder, der heute noch über ihn spricht, schreibt ein neues Kapitel in diesem unendlichen Buch.

Zur Übersicht

Zur Personlisierung und zur Verbesserung der Nutzererfahrung nutzen wir zu Marketing- und Analysezwecken auf diesen Seiten Cookies.