Raphaela Dell

Mit einer Kombination aus Psychologie, Organisationslehre und Methoden aus der Welt der Kultur und der Philosophie, befähigt sie Menschen ihr Potential voll zu nutzen.

Mit einer Kombination aus Psychologie, Organisationslehre und Methoden aus der Welt der Kultur und der Philosophie, befähigt sie Menschen ihr Potential voll zu nutzen.

Interesse geweckt?
Schreib uns eine E-Mail, ruf uns an oder nutze einfach unser Kontaktformular.

Zur Übersicht
Zur Übersicht

The Power of Goodbye: 1187 letzte Worte für Manfred Tauchen.

Am 14. Juni dieses Jahres haben wir im Münchner Lustspielhaus Abschied genommen von einem Mann, der zeitlebens keine halben Sachen machte – weder auf der Bühne noch im Leben.
Diese Rede ist kein Nachruf im klassischen Sinn. Sie ist ein Versuch, einem Menschen gerecht zu werden, der sich keiner Schublade fügte, der polarisierte, faszinierte, forderte – und unvergessen bleibt: Manfred „Fredi“ Tauchen.

Prolog:

Liebe Gäste, liebe Freund, liebe Kollegen!

Ich spreche heute als Frau, die 41 Jahre lang mit einem Mann verbunden war, der alles war – nur nicht einfach.

Und ich weiß, dass viele von euch genau jetzt nicken. Oder innerlich seufzen. Oder beides gleichzeitig.

Denn wenn es um Manfred Tauchen ging, dann ging es nie nur um ein Gefühl.

Sondern immer um mindestens zwei.

Liebe und Zorn.
Bewunderung und Verzweiflung.
Sehnsucht und Fluchtreflex.

Und genau das macht es so schwer – und so wahr.

Denn Fredi war keiner von den Menschen, über die man einfach sagt: „Er war ein feiner Kerl.“
Er war ein großartiger Kerl.  Ein großspuriger.      Ein großschnauziger.
Ein großherziger.
Ein anstrengender.
Ein zuweilen zärtlicher, verletzlicher, brüllender, liebenswerter Mensch.

Und einer, der bis zuletzt kein leichtes Leben geführt hat – und es sich, ganz ehrlich, auch nicht immer leicht gemacht hat.

Wir denken an einen Mann, der von sich selbst einmal gesagt hat:
„Ich hab in meinem Leben nie was gemacht, worauf ich keinen Bock hatte.“
Tja.
Das können nicht viele von sich sagen.
Aber bei Fredi hieß das eben auch: Er hat nie etwas gemacht, was er nicht machen wollte.

Und die Arbeit?
Die hatten dann all die wunderbaren Menschen um ihn herum, die irgendwann wussten:
Tauchen ist ein Naturereignis.
Mit dem musst du leben.
Oder du gehst unter.

Ihr Lieben,

wir sind aber heute nicht hier, um die großen Wunden zu lecken.
Wir sind auch nicht hier, um zu verzeihen, zu therapieren oder zu seufzen.

Wir sind hier, weil Fredi Tauchen tot ist.

Und das ist – gelinde gesagt – ein dramaturgischer Fehler.

Denn eigentlich hätte er heute auf der Bühne stehen müssen.
Mit einem Text von ihm selbst.
So einer wilden Mischung aus Karl Kraus, gewürzt mit ein bisschen Anton Kuh, geschmacklich abgerundet mit Tauchen.
Titel:
„Es ist schwer, ein Genie zu sein, wenn alle anderen zu doof sind, es zu merken.“

Ich hab lange überlegt, wie man diesen Mann verabschieden kann.

Was man sagen darf.
Was man sagen muss.
Und was man lieber nicht sagt, weil’s eh jeder weiß.

Fredi war ein Mensch, der sich durchs Leben gearbeitet hat wie andere durch einen zu dicken Roman.

Immer ein bisschen zu wild,
ein bisschen zu sehr in der Hauptrolle,
ein bisschen zu wenig bereit, sich redigieren zu lassen.

Und das ist, glaub ich, der Kern:
Er wollte keine Korrekturen.
Weder im Text noch im Leben.
Das Leben sollte ihn so nehmen, wie er war.
Oder es sollte sich schleichen.

Fredi war kein einfacher Mensch.
Aber ein eindrucksvoller.
Kein Leuchtturmwärter, sondern der Sturm selbst.
Er kam, er tobte, er rauchte, er regierte.
Und dann wollte er umarmt werden.
Aber ohne Anfassen, bitte.

Ein Mensch mit Haltung, wenn auch nicht immer mit Richtung.
Aber wehe, du kamst ihm blöd –
dann bekamst du eine Antwort, für die du einen Doktor in Sprachkunst brauchtest.

Er war – das kann man mit Fug und Recht sagen –
ein Mann mit Substanz.
Belesen bis unters Zäpfchen.
Wortgewandt wie ein Jurist auf Koks.
Historisch so sattelfest, dass du dich neben ihm gefühlt hast wie das Frühstücksei von Metternich.

Er wusste einfach mehr.
Über alles.
Über Napoleon.
Über den Sozialismus.
Über Theatergeschichte.
Über das Boulevard.
Über Zitate, die kein Mensch je gefunden hat, aber die bei Fredi in der Originalausgabe vorlagen.

Sein Humor?
Trocken wie ein österreichischer Welschriesling.
Sein Grant?
Legendär.

Der Mann, der aus Missverständnissen Karriere machte

"Wir waren aus Missverständnis Popstars", sagte Fredi einmal über DÖF. Die Wahrheit ist: Sein ganzes Leben war eine Aneinanderreihung produktiver Missverständnisse. Geboren 1947 in Wien – ein Missverständnis der Nachkriegszeit. Aufgewachsen zwischen Trümmern und Träumen von etwas Größerem.

Er studierte Film und Fernsehen, wurde aber Theatermann. Er schrieb Werbetexte, wurde aber Satiriker. Er fuhr als Entertainer auf der Queen Elizabeth 2, landete aber im Café Hawelka. Überall das falsche Ticket, aber immer die richtige Ankunft.

Als er 1972 mit Wolfgang Ambros und Joesi Prokopetz "Der Watzmann ruft" schuf, dachten alle, es sei ein Scherz. 250.000 verkaufte Platten später lachte niemand mehr – außer dem Publikum, und das war ja der Plan.

Die Gailtalerin und andere Persönlichkeitsstörungen

Fredi spielte im "Watzmann" mehrere Rollen, aber seine Paraderolle war die Gailtalerin. Eine Frau! Gespielt von einem Mann, der Frauen nie verstand, aber grandios parodieren konnte. Anton Kuh hätte seine Freude gehabt: "Es gibt Schauspieler, die spielen immer nur sich selbst. Tauchen spielte immer nur andere – vielleicht weil er sich selbst nicht aushielt."

Ich erinnere mich an Proben zu Hause. Er übte die Gailtalerin im Wohnzimmer, in voller Montur. Die Nachbarn dachten, ich hätte eine exzentrische Schwester zu Besuch. In gewisser Weise stimmte das ja auch.

Seine Fernsehshow "Die Gailtalerin – Ein Almauftrieb mit Gästen" war seiner Zeit voraus. Dame Edna Everage meets Tiroler Bauerntheater. Neun Folgen auf RTL – zu intelligent fürs Privatfernsehen, zu schräg fürs Öffentlich-Rechtliche. Typisch Fredi.

Im Lustspielhaus hat er sich Anfang der 2000er Jahre noch einmal  neu erfunden. In seiner letzten künstlerischen Heimat sind viele seiner Geschichten, seiner Käuze, seiner Abstürze und seiner Triumphe verortet.
Dank Till Hoffmann, dank Gaby Rothmüller, dank des Ensembles – das irgendwann zur Ersatzfamilie wurde.

Hier bei Euch hat Fredi gespielt, gelacht, gestritten, gesoffen, gesiegt – und manchmal auch verloren.

Sein Zuhause war die Bühne.
Da war er sicher.
Da war er frei.
Da war er – paradox, aber wahr – liebenswert.

Und das meine ich ganz ohne Ironie.
Denn wenn Fredi spielte, dann war da etwas in ihm, das leuchtete.
Dann war der ganze Trotz weg.
Der Groll.
Die Wut.
Dann war er da – echt, wach, grandios.

Er konnte Leute zum Brüllen bringen.
Zum Weinen.
Und oft auch beides gleichzeitig.

Er hatte einen Blick für Menschen.

Viele Kolleg:innen hier wissen:
Er hat Türen geöffnet.
Er hat Rollen ermöglicht.
Er hat gesagt: „Mach des, du bist guat.“
Und wenn du’s dann gemacht hast und es war auch noch gut –
dann war er kurz stolz.
Und dann… beleidigt.

Weil er, wenn wir ehrlich sind,
immer ein bisserl eifersüchtig war.
Auf Glück.
Auf Erfolg.
Auf innere Ruhe.

Denn das war ihm fremd.
Aber Lärm – den konnte er.

Privat war Fredi… naja… sagen wir:
ein Experte in Rückzügen.

Wir hatten eine Ehe, die alles war, außer gewöhnlich.
Ich hab ihn geliebt.
Er hat mich…
Nun ja.
Er hat mich auf seine Art auch geliebt.

Und ich weiß:
Ich bin nicht die Einzige hier im Raum, der das so ging.

Und trotzdem:

Ich war 41 Jahre mit ihm verbunden.
Hanna 30.
Evi noch länger.

Und wir alle – wir alle wussten:
Es war nicht leicht mit ihm.
Aber es war auch nie egal.

Er war nicht so sehr ein Partner,
sondern ein Projekt.

Ein Lebensprojekt mit Nebenwirkungen.

Wenn du ihn geliebt hast, musstest du ihn auch überleben können.
Er war wie ein Tsunami:
Er kam mit Wucht, er nahm dich mit, und wenn du wieder auftauchtest, warst du ein anderer Mensch.

Und doch gab es Tage – ach, so wunderschöne Tage – da war er charmant, witzig, großzügig.
Da machte er Spaghetti Vongole wie ein Römer.
Da erzählte er dir Geschichten von absurdem Tiefgang.


Doch wenn’s zu schön wurde, ging er.
Wenn man ihn mochte, testete er, wie lang das hält.
Und wenn du noch da warst – dann musste er dich irgendwann vergraulen.


Aber weißt du was, lieber Fredi?
Wir sind nicht alle gleich.
Wir sind heute hier.
Und das heißt: Wir haben’s irgendwie mit Dir ausgehalten.

Und wir sind – auf unsere Art – geblieben.

Die letzten Tage waren still.
Wirklich still.
Nicht Fredi-still.
Also nicht „Ich red nix, aber ich schreib dir 30 Nachrichten mit passiv-aggressivem Subtext“ –
sondern:
richtig still.

Hanna war da.
Ich war da.
Björn, sein Lieblingspfleger, war da – ein heiliger Mann mit Engelsgeduld
Und Fredi?
Der war plötzlich weich.

Und wir wussten:
Jetzt ist die Zeit für Frieden.

Epilog:

An all jene, die nicht mehr konnten –
die sich nicht mehr gemeldet haben,
die irgendwann kapituliert haben –
Ihr seid entschuldigt.
Voll und ganz.

Und wenn er es Euch selbst nicht mehr sagen konnte –
dann sag ich es jetzt:

Danke.
Danke für eure Liebe.
Eure Geduld.
Euer Aushalten.
Euer Wiederkommen.

Koordinaten.png1a

Anfang Juli, auf Kreta,
werden wir ihn der See übergeben.
Mit seinem kleinen alten Segelboot aus Holz.
Seinem Bootsführerschein.
Einer Zigarre und einem dicken Joint.
Und einem dicken Schmöker über wilde Seeschlachten.

Und wir werden trinken.
Und tanzen.
Und sagen:

„Fredi, mach’s gut.
Fahr los.
Du bist frei.“

Kairos 2


Und jetzt, liebe Freunde und Kollegen,
bitte erhebt euer Glas.
Nicht für einen Heiligen.
Nicht für einen Helden.

Sondern für einen echten Menschen.
Einen Kabarettisten.
Einen Original.
Einen Grantler mit Goldrand.
Einen Wortkünstler.
Einen Freund.

Auf Fredi Tauchen.
Möge der Himmel ein Theater haben.
Und möge er da oben sitzen,
mit einem vollen Glas und der Gewissheit:

Wir vergessen ihn nicht.
Nie im Leben.

Drüben

 

Zur Übersicht

Zur Personlisierung und zur Verbesserung der Nutzererfahrung nutzen wir zu Marketing- und Analysezwecken auf diesen Seiten Cookies.